30. Dezember 2024

Der Presslufthammer im Kopf

Chefarzt PD Dr. med. Lars Neeb erklärt Therapieansätze bei Migräne.

Extreme Kopfschmerzen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit und nicht selten kommen auch noch Übelkeit sowie Erbrechen hinzu. Migräne bedeutet für die Betroffenen eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität. Aber: „Wir können heute den meisten Patienten wirklich gut helfen“, betont Privatdozent Dr. med. Lars Neeb. Der Spezialist für die Behandlung von Kopfschmerzen ist Chefarzt der Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel. Ziel der Akuttherapie sei es, so der Chefarzt, dass Patienten bei einer Migräneattacke innerhalb von zwei Stunden schmerzfrei sind oder zumindest eine deutliche Verbesserung spüren.

Wenn handelsübliche Analgetika wie Ibuprofen oder Paracetamol nicht ausreichend wirken, kann vielen Patienten sehr gut mit Triptanen, migränespezifischen Medikamenten, geholfen werden. Aber sehr viel macht auch die Prophylaxe aus. „Wir reden da von Entspannungsverfahren, von Stressmanagement, von Physiotherapie und auch von psychotherapeutischen Verfahren“, erklärt Dr. Lars Neeb. All das hilft, die Attacken in Anzahl und Heftigkeit zu reduzieren. Wer unter Migräne leidet, hat eine genetische Veranlagung dazu. Man kann sich die Migräne als eine Schwellenerkrankung vorstellen. Die Gene tragen dazu bei, wie empfindlich jemand für Migräneattacken ist. Der Patient kann aber selber dazu beitragen, diese Schwelle nach oben oder nach unten zu verschieben.

Aus Patientenberichten weiß der Neurologe Dr. Lars Neeb, dass sie manchmal vergessen, regelmäßig zu essen, zu trinken und zu schlafen. Die Folge: Migräne. Der Experten sprechen dabei von sogenannten Triggern. Damit sind Auslöser gemeint – zum Beispiel für Migräneanfälle. Dr. Lars Neeb empfiehlt Betroffenen, einen Kopfschmerzkalender zu führen. Hier wird nicht nur das Auftreten einer Schmerzattacke notiert, sondern auch, was kurz davor gemacht wurde oder was passiert ist. Gab es eine stressige Situation? Zu wenig getrunken? Irgendetwas Besonderes gegessen? Eine besondere Wetterlage und dazu körperliche Anstrengung? Solche Notizen geben Hinweise darauf, wie der Kopfschmerz womöglich vermieden oder reduziert werden kann. Allerdings mahnt der Experte auch vor Übertreibungen. Wenn jemand vor einer Migräne einmal eine Scheibe Käse gegessen habe, heißt das nicht gleich, dass der Käse der Auslöser für die Migräne war. „Keine strengen Diäten, die ohne Not Lebensqualität nehmen“, so der Tipp von Dr. Lars Neeb.



In der Prophylaxe können auch Medikamente eingesetzt werden. Eine neue Therapieoption sind die sogenannten CGRP-Antikörper. CGRP steht für Calcitonin gene related peptide und ist ein Botenstoff, dessen Konzentration im Blut während einer Migräneattacke erhöht ist. Bei chronischer Migräne sogar zwischen den Attacken. Die CGRP-Antikörper blockieren den Botenstoff oder seinen Rezeptor. Von einer chronischen Migräne sprechen die Spezialisten übrigens, wenn Betroffene an mindestens 15 Tagen im Monat unter Kopfschmerzen leiden, von denen an mindestens acht Tagen typische Migräne-Kopfschmerzen auftreten. Alles andere wird als episodische Migräne bezeichnet.

In der Therapie einer akuten Migräne haben sich Triptane als wirksame Medikamente erwiesen. „Triptane gibt es auch als Nasenspray und subcutane Spritzen. Diese können auch Patienten helfen, die bei ausgeprägter Übelkeit die Tabletten erbrechen“, erläutert der Chefarzt. Die Medikamente sollten allerdings nicht öfter als zehn Tage im Monat genommen werden. Sie können sonst zur Chronifizierung der Kopfschmerzen, einem sogenannten Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch, führen. Problematisch ist es aus seiner Sicht, dass immer noch zu viele Patienten den Weg zum Arzt scheuen und versuchen, mit Schmerzmitteln aus der Apotheke über die Runden zu kommen. „Sie sind unterdiagnostiziert und werden nicht richtig therapiert“, mahnt der Experte. Das habe Folgen. Werden Migräneattacken nicht richtig behandelt, können sie häufiger auftreten – und das auch mit steigendem Schmerzpegel. Dr. Lars Neeb bietet immer am Mittwoch in der Hochschulambulanz eine Sprechstunde für Kopfschmerzpatienten an. Die Telefonnummer zur Terminvereinbarung finden Sie hier.

Hellhörig wird der Spezialist, wenn Patienten über mehr als vier Kopfschmerztage im Monat klagen. „Niemand fängt mit einer chronischen Migräne an“, sagt er. Es sei extrem wichtig, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Bei Patienten im Alter von zwölf bis 20 Jahren taucht Migräne typischerweise zum ersten Mal auf. Zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr gibt es einen Peak. Jahr. Später flauen die Schmerzattacken ab. Betroffen sind besonders häufig Frauen. „Das liegt daran, dass genetische Veranlagung und Hormonschwankungen wesentliche Auslöser für Migräne sind“, erklärt Dr. Lars Neeb. Nach der Menopause gebe es aber bei vielen Frauen eine deutliche Besserung.

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