29. September 2024
Weltherztag 2024
Die Herzstiftung hat in diesem Jahr ihre Aktivitäten unter das Motto "Warnzeichen erkennen und behandeln" gestellt
Der Weltherztag ist eine Initiative der World Heart Federation (WHF), in der sich die Herzstiftungen und kardiologischen Fachgesellschaften von mehr als 100 Ländern zusammengeschlossen haben – darunter auch die Deutsche Herzstiftung. Die Herzstiftung hat in diesem Jahr ihre Aktivitäten unter das Motto "Warnzeichen erkennen und behandeln" gestellt. Herzkrankheiten gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit und können sich auf vielfältige Weise bemerkbar machen.
Manche haben das Gefühl, dass ihr Herz „stolpern“ würde. Dass es irgendwie aus dem Takt geraten ist. Andere verspüren eine gewisse Unruhe. Vielleicht sogar Atemnot. Die meisten aber merken gar nicht, dass ihr Herzschlag unregelmäßig ist – dass sie also unter dem sogenannten Vorhofflimmern leiden. Vorhofflimmern ist keine seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland 1,5 bis zwei Millionen Menschen darunter. Sie ist „die häufigste andauernde Herzrhythmusstörung“, erklärt Prof. Dr. med. Oliver Ritter, Klinikdirektor Kardiologie, Nephrologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel.
Betroffen sind vor allem ältere Menschen: Bei den über 80-Jährigen leiden etwa 20 Prozent darunter. Bei den unter 50-Jährigen ist es gerade einmal ein Prozent.
Was bedeutet eigentlich Vorhofflimmern? Normalerweise arbeiten die beiden Herzkammern und ihre Vorhöfe in einem gut abgestimmten Rhythmus, um sauerstoffarmes Blut aus dem Körper in die Lunge zu pumpen und um umgekehrt sauerstoffreiches Blut aus der Lunge in den Körper zu befördern. Durch chaotische elektrische Impulse kann es aber passieren, dass die Vorhöfe aus dem Takt geraten und das Blut nicht wie gewohnt fließt. Anders als beim Kammerflimmern ist das Vorhofflimmern nicht akut lebensbedrohlich, aber unentdeckt und unbehandelt durchaus gefährlich. Gerät der Blutfluss im Herz ins Stocken, „können sich im schlimmsten Fall Blutgerinnsel bilden“, erläutert Prof. Dr. Oliver Ritter. Die wiederum erhöhen das Risiko eines Schlaganfalls. Außerdem droht bei länger andauerndem Vorhofflimmern ein Verlust von bis zu 15 Prozent der Herzleistung.
Bei Verdachtsfällen klären Kardiologen zunächst ab, ob das Vorhofflimmern anfallsartig auftritt oder permanent besteht. Dabei ist es nicht immer einfach, dem Taktverweigerer im Herzen auf die Spur zu kommen. „Das ist ein bisschen wie mit Zahnschmerzen“, sagt der Chefkardiologe des Universitätsklinikums. „Wenn man beim Arzt ist, sind die Beschwerden plötzlich weg.“ Erste Hinweise auf Turbulenzen im Herzen können Daten von Smartwatches oder Handy-Apps geben. Wer hier in die Vorsorge investieren möchte, sollte darauf achten, dass er medizinisch zertifizierte Produkte nutzt. So Jonas Lübcke, Arzt in der Klinik für Kardiologie. Für wirklich gute Technik seien die Kosten relativ hoch. „Und vor dem Kauf sollte man unbedingt die Bedienbarkeit prüfen“, rät Jonas Lübcke.
Für eine sichere Diagnose lässt der Kardiologe ein EKG schreiben. „Diese Aufzeichnungen können mitunter viele Tage dauern“, so Prof. Dr. Oliver Ritter. Eben so lange, bis ein Vorhofflimmern nachgewiesen oder aber mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Als nachgewiesen gilt es, wenn über einen Zeitraum von mindestens 30 Sekunden eine Rhythmusstörung aufgezeichnet wurde.
In einem nächsten Schritt wird geprüft, ob das Vorhofflimmern eventuell die Folge einer anderen Erkrankung ist. Das kann zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion sein. Dann müsste sie zunächst behandelt werden. Ist es aber wirklich „nur“ eine Frage des Herzens, geht es darum, alles wieder in den Takt zu bringen. Meist ist die Herzfrequenz erhöht. Um sie zu drosseln, können Medikamente eingesetzt werden: Betablocker. Bringen sie nicht die gewünschte Wirkung, ist die Katheterablation eine Alternative. Dabei wird ein dünner Schlauch – ein Katheter – ins Herz eingeführt und diejenigen Vorhof-Regionen mit Hitze oder Kälte vernarbt, in denen die elektrischen Fehlimpulse auftreten. Prof. Dr. Oliver Ritter: „Nur eine Narbe kann elektrische Fehlerregungen verhindern.“
Es ist sogar möglich, über elektrischen Strom, der von außen an den Körper angelegt wird, den normalen Herzrhythmus wiederherzustellen. Experten sprechen von einer Kardioversion. Chefkardiologe Oliver Ritter vergleicht diese Therapie mit einer Art Neustart des Herzens. Allerdings ist es bei der Kardioversion möglich, dass der Erfolg nicht dauerhaft ist. Aber sie verschaffe gerade bei schwierigen Fällen Zeit, um andere Therapien ins Spiel zu bringen. Für die Auswahl der Behandlungsmethode ist für den Chefkardiologen neben der Schwere der Erkrankung auch immer die Präferenz des Patienten entscheidend.
Parallel zur Therapie der Herzfrequenz muss auch das Risiko eines Schlaganfalls bewertet und eventuell behandelt werden. Nicht jeder Patient mit Vorhofflimmern hat automatisch ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko. Mitentscheidend sind Faktoren wie das Alter des Patienten, Vorerkrankungen wie Diabetes, Gefäßerkrankungen oder auch Bluthochdruck. Nach einer standardisierten Risiko-Bewertung entscheidet der Kardiologe, ob eine vorbeugende Therapie nötig ist. Erstes Mittel der Wahl ist die Gabe von Blutverdünnern.
90 Prozent der Vorhof-Gerinnsel entstehen im linken Vorhof – speziell im linken Herzohr. Das ist eine kleine Ausstülpung. Wie ein Wurmfortsatz. Hier kann das Blut parken und verklumpen, wenn der Fluss ins Stocken gerät. Dieser Gefahr können die Kardiologen mit einem Eingriff begegnen: Der Zugang zum Herzohr wird mittels eines Mini-Schirmchens verschlossen. Das ist eine mögliche Therapie zum Beispiel für Patienten, die Blutverdünner nicht gut vertragen. Der Eingriff erfolgt ebenfalls über einen Katheter. Voraussetzung ist, dass ein eventuell schon existierendes Gerinnsel zuvor durch Blutverdünner aufgelöst wurde. Dass das Herzohr also frei ist. Voraussetzung sei dabei immer ein genaues Abwägen der Risiken – einer OP sowie eines drohenden Schlaganfalls.