07. Januar 2020
Blase und Nieren - Geniales Filtersystem
Geniales Filtersystem
Nur an wenige Organe unseres Körpers werden wir Tag für Tag so häufig erinnert wie an die unseres Harnsystems. Vor allem dann, wenn mal wieder keine Toilette in der Nähe zu finden ist. Doch gut, dass sich die Blase so oft meldet. Denn unser Harnsystem erfüllt für uns gleich mehrere lebenswichtige Aufgaben.
Reinigung.
Ein gesunder Mensch hat zwei bohnenförmige, etwa zehn Zentimeter große Nieren. Sie liegen oberhalb der Taille, links und rechts neben der Wirbelsäule. „Sie reinigen das Blut von giftigen Stoffen und Substanzen, die der Körper nicht mehr benötigt“, erklärt Prof. Thomas Enzmann, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Städtischen Klinikum und Hochschulklinikum in Brandenburg an der Havel.
Hormonbildung.
Pro Tag fließt das gesamte Blut eines Menschen, also etwa fünf bis sechs Liter, circa 300-mal durch die Nieren. Dabei entsteht Harn, der mehrmals im Inneren der Niere gefiltert wird, sodass für den Körper wichtige Stoffe wie Kalium und Glukose im Blut zurückbleiben. Überschüssiges Wasser und giftige Stoffe hingegen gelangen mit dem Endharn über die ableitenden Harnwege in die Blase. „Durch ihre Filterfunktion reguliert die Niere den Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers, den Blutdruck sowie das Säuren-Basen-Gleichgewicht“, sagt der Experte. „Zudem produziert sie Hormone wie Erythropoetin, kurz Epo. Das fördert die Bildung von roten Blutkörperchen im Knochenmark und ist damit lebensnotwendig.“
Speicherfunktion.
Die Harnblase befindet sich im Becken. An ihrer Rückseite ist sie durch zwei Harnleiter mit den Nieren verbunden, die sie mit Harn füllen. „Die Hauptfunktion der Blase ist es, den Urin zu speichern“, so Prof. Enzmann. „Sie kann normalerweise bis zu 700 Milliliter aufnehmen, Harndrang entsteht aber bereits früher.“ Wird dann die Blase entleert, zieht sich der Blasenmuskel zusammen, die Schließmuskeln entspannen sich, der Urin fließt ab.
Empfindlich.
Auch wenn die Harnblase damit nur relativ wenige Aufgaben des Harnsystems übernimmt, ist sie doch anfällig für Erkrankungen. „Am häufigsten ist die Blasenentzündung“, weiß der Urologe. Jede zweite Frau leidet mindestens einmal im Leben daran, Männer sind aufgrund ihrer längeren Harnröhre selten betroffen.
Therapie.
„Verantwortlich für den Infekt sind in den meisten Fällen Bakterien aus der Darmflora, die bei Frauen über die kurze Harnröhre leicht in die Blase gelangen können“, erklärt er. „Dort entzündet sich die Schleimhaut.“ Dem Infekt kann man mit einigen einfachen Maßnahmen im Alltag vorbeugen, auch die Heilung gelingt in vielen Fällen, wenn man genug trinkt (s. S. 18). In schwerwiegenderen Fällen verschreibt der Arzt ein Antibiotikum.
"Die Anatomie der Frau begünstigt Blasenentzündungen und Inkontinenz, Männer leiden häufiger an Nierensteinen"
Die weibliche Blase ist anfälliger Die zweithäufigste Erkrankung der Blase, die Inkontinenz, trifft ebenfalls deutlich häufiger das weibliche Geschlecht, vor allem in Form der sogenannten Belastungs-Inkontinenz. Der Grund hierfür ist meist der Beckenboden, der bei Frauen durch Schwangerschaften und Geburten stärker belastet wird. Zudem verändert sich der Östrogenspiegel in der Menopause, die Schleimhäute werden dadurch dünner. Dann können Beckenboden und Harnröhrenschließmuskel dem Druck, der bei körperlichen Anstrengungen entsteht, schlechter standhalten. Urin tritt ungewollt aus. Stärkung. Kräftigen kann man den Beckenboden u. a. mit Schwimmen. Radfahren und Nordic Walking, ebenso mit speziellen Übungen. Nimmt das Problem trotzdem weiter zu, kann er mit Elektroimpulsen stimuliert werden. Auch operative Verfahren sind möglich (s. S. 18). Wird die Blasenschwäche durch einen Mangel an Östrogenen ausgelöst, können Salben und Vaginalzäpfchen helfen.
Stoßwellen helfen
Während Frauen also vermehrt mit Blasenproblemen zu kämpfen haben, sind Männer wiederum etwa zweimal öfter vom häufigsten Nierenleiden betroffen – den Nierensteinen. Der Grund dafür ist allerdings nicht die Anatomie. Verantwortlich ist wohl ein oft ungesünderer Lebensstil mit viel eiweißhaltiger Nahrung, wenig Bewegung und Übergewicht, meinen Mediziner. Schmerzhaft. Nierensteine entstehen aus Bestandteilen des Urins, die normalerweise gelöst sind, wie zum Beispiel Calcium. Wird die Konzentration dieser Bestandteile zu hoch, lagern sie sich als Kristalle in den Nieren ab (s. Kasten links). Zunächst sind sie kaum größer als ein Reiskorn, können mit dem Urin ausgeschieden werden und bleiben deshalb unbemerkt. Die Kristalle können jedoch auch bis auf einige Zentimeter heranwachsen. „Wenn sich die großen Steine dann lösen und durch den Harnleiter wandern, wird es schmerzhaft“, sagt Prof. Thomas Enzmann. Die Steine verstopfen den Harnleiter, es kommt zu einer Kolik.
Technik. Um sie zu entfernen, wird in 90 Prozent der Fälle eine Stoßwellentherapie eingesetzt. Dabei wird der Stein mit gezielten Energiewellen von außen zerkleinert, die Trümmer werden dann mit dem Urin ausgeschieden. Exemplare über zwei Zentimeter Größe muss man jedoch minimalinvasiv entfernen. Dabei wird der Stein ebenfalls zerkleinert, die Stücke werden dann aber mit speziellen Instrumenten herausgespült.
Innovation. Bleiben Fragmente zurück, können diese Auslöser für neue Nierensteine sein. Um das zu vermeiden, haben deutsche Forscher einen speziellen Klebstoff entwickelt. Dieser wird während der OP mit den Instrumenten in die Niere eingeführt, bleibt aber nur an den Fragmenten haften. Sie verbinden sich miteinander und können gesammelt entfernt werden.
Um das Harnsystem vor Krankheiten zu schützen, muss man ausreichend trinken“, empfiehlt Prof. Thomas Enzmann. Mindestens eineinhalb bis zwei Liter sollten es pro Tag schon sein. Denn: Befindet sich zu wenig Wasser im Körper, wird die Nierenfunktion gestört und der Harn konzentrierter. Das reizt wiederum die Blase und begünstigt Erkrankungen.
"Kleine Nierensteine bleiben oft völlig unbemerkt. Große hingegen können schmerzhafte Folgen haben."
Regelmäßigkeit. Doch nicht nur das Trinken ist wichtig – auch der anschließende Toilettengang ist unentbehrlich. „Viele Menschen unterdrücken regelmäßig ihren Harndrang“, weiß der Mediziner. „Dann verlernt die Blase aber, wann sie voll ist, und es bleibt immer etwas Urin zurück.“ So wird sie nicht mehr gespült, Krankheitserreger können sich leichter festsetzen. Auch eine Infektion der Nieren ist dadurch möglich. Wer ab und an einmal den Harndrang unterdrückt, muss jedoch noch nichts befürchten. „Wichtig ist nur, schnell zur Toilette zu gehen, sobald es sich anbietet. Selbst wenn der Harndrang schon wieder weg ist.“
Quelle: My Life – Magazin, mylife media GmbH & Co. KG