06. Juli 2025

Der Kampf gegen ein Tabu

Kinderchirurg PD Dr. med. Carlos Albert Reck Burneo korrigiert Fehlbildungen des Darms.

Seit Mai gehört PD Dr. med. Carlos Albert Reck Burneo zum Ärzteteam des Universitätsklinikums. Er ist der neue Chefarzt der Kinderchirurgie und Kinderurologie. Und er hat eine außergewöhnliche Spezialisierung. Der 48-jährige Facharzt für Kinder- und Jugendchirurgie ist ein Experte für Kolorektalerkrankungen. Unter kolorektalen Fehlbildungen versteht man angeborene Anomalien des Dickdarms und des Anus, also des Afters. „Wussten Sie, dass kolorektale Fehlbildungen mit einer Häufigkeit von etwa 0,2 bis 0,4 pro 1000 Lebendgeburten nur etwas seltener sind als angeborene Herzfehler, die mit rund 8 bis 10 Fällen pro 1000 Lebendgeburten auftreten?“, fragt Dr. Carlos Albert Reck Burneo. Über Herzfehler wird jedoch deutlich häufiger gesprochen als über Fehlbildungen „da unten“, denn für viele Eltern ist dies zunächst ein Tabuthema. Die meisten erfahren von kolorektalen Erkrankungen erst, wenn ihr Kind betroffen ist.

Ein Beispiel dafür ist Morbus Hirschsprung. Diese angeborene Erkrankung wurde nach dem dänischen Kinderarzt Harald Hirschsprung benannt. Bei Kindern, die an dieser Krankheit leiden, funktioniert die Darmmuskulatur in einem Abschnitt nicht richtig. Der Dickdarm ist an der Stelle verengt. Der Darminhalt kann nicht abtransportiert werden. Es werden entweder nur geringe Mengen an Stuhl ausgeschieden oder gar nichts. Wie Dr. Carlos Albert Reck Burneo erklärt, ist eines von 5000 Neugeborenen davon betroffen. Die Folgen sind entweder ein Stau im Darm, der vor der Engstelle extrem geweitet wird, oder sogar ein Darmverschluss. Beides ist für das Kind lebensbedrohlich. Denn es besteht die Gefahr von Entzündungen und einer Blutvergiftung. „Normalerweise haben die meisten Babys innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt den ersten Stuhlgang – wegen der dunklen Färbung auch Kindspech genannt“, erklärt der Kinderchirurg. Bleibt das aus, wird akribisch nach den Ursachen geforscht. Ist es Morbus Hirschsprung, kann das Problem operativ korrigiert werden.

Das gilt übrigens auch für solche Fehlbildungen, bei denen der Darm in die Harnröhre oder in die Blase mündet. Dabei kann es sein, dass der Chirurg mehrere Operationen einplanen muss. „Das ist abhängig von der Schwere der Fehlbildung.“ Bei leichten Fällen dauert die OP nur ein bis zwei Stunden. Das ist okay für die kleinen Patienten. Ist aber ein Eingriff von sechs bis acht Stunden nötig, wird in einer ersten Versorgung zunächst ein künstlicher Darmausgang gelegt, um Zeit zu gewinnen. Das Neugeborene kann Kraft sammeln für die große OP, die drei bis sechs Monate später vorgenommen wird. Ist alles gut verheilt, wird in einer dritten Operation der künstliche Darmausgang wieder entfernt. Das Kind muss zwar zu Nachuntersuchungen, kann aber ein unbeschwertes Leben führen.

Am Uniklinikum möchte Dr. Carlos Albert Reck Burneo ein Zentrum für Kinderkolorektalchirurgie aufbauen. Drei vorrangige Ziele verfolgt er mit seinen Behandlungen: die Kontinenz bei Stuhl und Urin sicherstellen, ebenso die sexuellen Funktionen, und schließlich geht es ihm um einen langfristigen Nierenschutz. Der Aufbau dieses Zentrums und die Zusammenarbeit „mit einer kompetenten pädiatrischen Abteilung, wie sie das Uniklinikum hat“ – genau das macht Brandenburg für den Kinderchirurgen mit großer internationaler Erfahrung so reizvoll. Er hat zuletzt in New York und in Wien praktiziert. Sein Medizinstudium absolvierte er in Quito, der Hauptstadt von Ecuador. Für ein Jahr war er als Student auch an der Charité in Berlin. In seinem letzten Studienjahr arbeitete er in einer Kinderklinik in Ecuador. „Da wusste ich, dass ich Kinderchirurg werden wollte“, erzählt er.

Dr. Carlos Albert Reck Burneo stammt von den Galapagosinseln, die zu Ecuador gehören und etwa 1000 Kilometer vom Festland entfernt sind. Sein Vater – ein Deutscher – hat dort als Meeresbiologe gearbeitet. Egal, in welches Land es den Kinderchirurgen für seine Arbeit zieht: Eine Tradition hat immer Bestand. Regelmäßig fliegt er nach Ecuador, um dort Kinder zu operieren. Außerdem engagiert er sich im mittelamerikanischen Honduras für ein soziales Projekt der Ruth Paz Foundation. Mit Spendengeld konnte ein Krankenhaus gebaut werden. Hier gibt Dr. Carlos Albert Reck Burneo mit seinen Operationen vielen Kindern Freude am Leben. Denn viel zu oft habe er erlebt, dass Kindern mit kolorektalen Fehlbildungen zwar das Leben gerettet wurde – zum Beispiel mit einem künstlichen Darmausgang. Aber die entscheidende korrigierende Operation erfolgte nicht, weil die Experten beziehungsweise die finanziellen Mittel fehlten. Derzeit plant er auch einen Hilfseinsatz in Äthiopien. Am wichtigsten ist ihm, dass es am jeweiligen Standort ein Ärzteteam gibt, das sich um die intensive Nachsorge der kleinen Patienten kümmert.

Wann immer er Zeit findet, fängt der Weitgereiste Impressionen mit der Kamera ein: Aufnahmen von Landschaften, von faszinierenden Details, gern in Schwarz-Weiß. „Am liebsten bin ich mit meiner Leica unterwegs“, erzählt er. Der Hobbyfotograf hat auch schon ausgestellt und er teilt seine Fotos auf Instagram (@galapagensis).

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