19. September 2024
Die doppelte Feier
Medizinische Hochschule ist zehn Jahre alt und verabschiedet einen neuen Ärzte-Jahrgang ins Berufsleben
Junge Menschen in schwarzen Roben und mit Baretten mit der signifikanten roten Kordel sammeln sich am 13. Juli in auffällig großer Zahl mit Angehörigen und Mitstreitern vor dem Brandenburger Paulikloster. Der Anlass ist ein ausgesprochen erfreulicher. Sie haben es geschafft. 46 Studierende der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) sind nach der Feierstunde junge Ärzte. Neben ihrer Exmatrikulation werden zeitgleich die ersten zehn Jahre des Bestehens der MHB gefeiert. Eine Erfolgsgeschichte, die vor zehn Jahren nicht unbedingt so abzusehen war.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Hans-Uwe Simon, Präsident der MHB, greift in seiner Begrüßungsansprache das afrikanische Sprichwort auf: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“. Das lasse sich aus seiner Sicht gut auf die MHB übertragen. „Es braucht ein Dorf, und es braucht ein Land, um eine Medizinische Universität zu gründen und zu etablieren“, sagt er. Viele Unterstützer aus der Stadt und dem Land Brandenburg sind in die repräsentative Klosterkirche des ehemaligen Dominikanerklosters gekommen, unter ihnen Gründungsdekan Prof. Dr. med. Dieter Nürnberg, seine Gründungsprodekane Prof. Dr. med. Wilfried Pommerien sowie Prof. Dr. med. René Mantke, Barbara Richstein, Vizepräsidentin des Landtages Brandenburg, und Steffen Scheller, Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg an der Havel. „Fühlen Sie sich alle als Gründungsmitglieder“, so Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Hans-Uwe Simon, der wegen der schieren Menge nicht jeden Einzelnen benennen kann.
Aus den knapp 100 „Erstis“, die zum Start 2015 entweder Medizin oder Psychologie studieren wollten, sind inzwischen 780 geworden. Mit Beginn des neuen Studienjahres könnte die Zahl von 1000 Studierenden erreicht werden, die inzwischen außerdem auch Klinische Psychotherapie, Versorgungsforschung oder Zahnmedizin studieren können. Die Projekt-Drittmittel sind in den zehn Jahren mit nun 3,8 Millionen Euro auf das 19-Fache angestiegen. Der Jahresumsatz kletterte mit 25 Millionen Euro auf das 18-Fache. Und aus den anfänglich 28 MHB-Mitarbeitenden wurden 346.
Prof. Dr. med. Andreas Winkelmann, Leiter des Instituts für Anatomie an der MHB, stellt in seinem Rückblick auf den Jahrgang klar, dass nunmehr alle Absolventen von heute an „Zwangsabonnenten des Deutschen Ärzteblattes“ wären, „Kommt jede Woche, man kann es nicht abbestellen“. Eine Anatomenstelle hat er ebenfalls im Angebot. Er zeigt sich froh über die praktische Kompetenz seiner Studierenden, die er selbst als Berufsanfänger nicht hatte. „Ich hoffe, wir haben das bei Ihnen besser gemacht.“
„Einen Wimpernschlag“ nennen Cindy Stern und Nele Neveling in ihrer Jahrgangsrede die sechs Jahre und drei Monate ihres Studiums, selbst erstaunt, dass sie schon vorbei sind. Sie erinnern in schönen Episoden an ihre Studienzeit, an die Erstiwoche, erste WGs, legendäre Partys, Prüfungsvorbereitungen und viele Prüfungen, Fahrradfahren auf Neuruppiner Kopfsteinpflaster, Praxissemester, die politische Demonstration für „Hand in Hand für das Land“ im Interesse einer staatlichen Förderung der MHB durch das Land Brandenburg, an die eigenen Erfahrungen mit der Pandemie und dem Online-Umgang miteinander und so viel mehr.
Jetzt gibt’s Zeugnisse, das schwer verdiente und kostbare Papier, das den Einstieg ins Berufsleben ermöglicht. Aline Dorendorf ist eine von zehn Absolventinnen des Jahrgangs, die am Uniklinikum Brandenburg an der Havel bleiben. „Ich gehe in einem Jahr in die HNO und freue mich jetzt schon darauf“, sagt sie. Grund für ihre Verzögerung ist ein Baby, das bald kommen wird. Antonia Knöllner kehrt als Urologin nach Paderborn zurück. Jannis Schwanemann wird in Neuruppin Anästhesist. Er freut sich zudem über den Engagement-Preis, den er wie auch Cindy Stern von der Ostprignitz-Ruppiner Sparkasse bekommt. Die Jahrgangsbeste ist Susann Krahn.
Von nun an wird gefeiert. Im Museumshof warten köstliches Essen, kühle Getränke und viele schöne Gespräche, auch mit den ebenfalls eingeladenen Alumni. Zwei Drittel der Absolventen werden sich in Zukunft vielleicht doch gelegentlich über den Weg laufen. Sie bleiben nämlich in Brandenburg, die meisten an den Universitätskliniken Ruppin-Brandenburg Neuruppin oder Brandenburg/Havel und starten hier in die Facharztausbildung.
Das Werden und Wachsen der MHB
Im März 2012 wird das Vorhaben bekannt: Die Kliniken der Städte Brandenburg an der Havel und Neuruppin planen eine gemeinsame Medizinerausbildung. Der Name „Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane“ ist gesetzt. 2013 oder 2014 sollen die ersten 42 Studenten immatrikuliert werden. Kritische Stimmen gibt es einige: Junge Ärzte fürs platte Land Brandenburg begeistern? Sollte das gelingen?
Im September 2012 werden die Antragsunterlagen beim Wissenschaftsministerium in Potsdam eingereicht. Der Antrag ist ein Gemeinschaftsprojekt der Ruppiner Kliniken und des Städtischen Krankenhauses Brandenburg.
Mai 2014: Die Stadtverordneten von Brandenburg an der Havel stimmen der Gründung einer Trägergesellschaft für die künftige MHB zu. Der Kreistag in Neuruppin gibt einstimmig grünes Licht fürs Einrichten einer medizinischen Hochschule.
Im Juli 2014 teilt Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst mit, dass die Ausbildung an der privaten MHB staatlich anerkannt wird. Brandenburg erhält damit als letztes Flächenland eine eigene medizinische Hochschule.
28. Oktober 2014: Die MHB Theodor Fontane wird im Festsaal der Ruppiner Kliniken offiziell gegründet. Gründungsdekan ist Prof. Dr. Dieter Nürnberg. Der Modellstudiengang mit praxisnaher Ausbildung wird getragen von den drei Hochschulkliniken Ruppiner Kliniken, Städtisches Klinikum Brandenburg und der Immanuel Diakonie mit dem Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg und der Immanuel Klinik Rüdersdorf.
Am 10. April 2015 werden 48 angehende Mediziner und 24 Psychologen feierlich immatrikuliert. Das Studium an der MHB kann beginnen. Weitere 16 „Erstis“ starten im Wintersemester 2015/16 ihr Psychologiestudium.
Frühjahr 2016: Für das Sommersemester gibt es 600 Bewerbungen auf die 48 Plätze im 2. Mediziner-Jahrgang.
Im April 2017 wird der Campus Brandenburg an der Havel feierlich eröffnet und der erste Jahrgang des Modellstudiengangs zieht in die Havelstadt um.
Oktober 2019: Nun werden „Erstis“ des Medizinstudiums auch im Wintersemester immatrikuliert. Der Start im Sommersemester ist weiterhin möglich. Damit erhöht sich das Angebot an Studienplätzen.
Im Dezember 2020 werden vom Wissenschaftsministerium des Landes Brandenburg die Trägerkliniken als Hochschulklinikverbund der MHB staatlich anerkannt. Sie dürfen sich wie auch das Klinikum in Brandenburg an der Havel offiziell Universitätsklinikum nennen.
Im August 2021 werden die ersten Absolventen des Medizinstudiums exmatrikuliert. Die Mehrheit von ihnen bleibt im Land Brandenburg.
Seit dem Wintersemester 2022/23 kann man an der MHB auch den Studiengang „Versorgungsforschung“ belegen.
Und noch mehr Studienplätze: Im Sommersemester 2023 werden anstelle der üblichen 48 erstmals 69 Medizinstudierende immatrikuliert. Hinzu kommen 30 künftige Psychologen. 2024 wird das Angebot der MHB erneut erweitert. Jetzt gibt es auch Studienplätze für Zahnmediziner. 48 Studierende werden im Sommersemester immatrikuliert und absolvieren ihre Ausbildung auf dem Campus Brandenburg an der Havel.