16. Dezember 2024

Wenn der Motor schwach ist …

Herzschwäche ist die häufigste Aufnahme-Diagnose im Krankenhaus.

Es ist der Klassiker: Der Treppenlauf, der bis vor einiger Zeit noch keine Probleme bereitete, kostet nun viel Kraft. Und irgendwie wird die Luft knapp. Von Stufe zu Stufe steigt auch die Qual. So ergeht es Menschen, die an einer Herzschwäche – medizinisch: Herzinsuffizienz – leiden. Das Herz schafft es einfach nicht mehr, den Körper ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Das betrifft in Deutschland mittlerweile bis zu vier Millionen Menschen. „Anfang der 2000er Jahre waren es noch drei Millionen Menschen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Oliver Ritter, Direktor der Klinik für Kardiologie, Nephrologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel.

Herzinsuffizienz ist die häufigste Diagnose für Klinikeinweisungen. Und: Mit mehr als 37.000 Sterbefällen pro Jahr ist die Herzschwäche die dritthäufigste Todesursache, so die Angaben der Deutschen Herzstiftung. Kein Wunder also, dass die diesjährigen Herzwochen der Stiftung unter dem Motto standen: „Stärke Dein Herz! Herzschwäche erkennen und behandeln.“ Auch das Uniklinikum lud im November zu einem Infoabend zu diesem Thema ein – mit Prof. Dr. Oliver Ritter als Hauptreferenten.

„Das Problem bei dieser Krankheit ist nicht die Diagnose“, erklärt der Klinikdirektor der Kardiologie. Bei deutlichen Anzeichen wie Müdigkeit, schlechte Belastbarkeit, Luftnot, Herzrasen oder auch Wassereinlagerungen, zum Beispiel in den Beinen, können der Verdacht mit Blut- und Ultraschalluntersuchungen vom Herzen sehr schnell abgeklärt und die Diagnose gestellt werden. „Das Problem ist vielmehr die intensive Therapiebegleitung“, so der Experte. Denn eine Herzinsuffizienz gehe in der Regel nicht mehr weg. Prof. Dr. Oliver Ritter vergleicht die Situation gern mit einer Diabeteserkrankung: Hier müsse man täglich den Blutzuckerwert messen und entsprechend Medikamente nehmen. Patienten mit einem schwachen Herz müssen viele Werte ebenfalls regelmäßig kontrollieren und messen lassen: Blutdruck, Wassereinlagerungen, die Herzkraft. Auch die Medikation muss immer wieder überprüft werden. Prof. Dr. Oliver Ritter: „Was im ersten Jahr nach der Diagnose gut geholfen hat, muss im zweiten Jahr nicht zwangsläufig auch noch passen.“

Außerdem gelte es, die Ursachen für die Herzschwäche zu behandeln. Das kann Bluthochdruck sein, der über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gut eingestellt wurde. Oder aber eine koronare Herzkrankheit (KHK), bei der die Herzkranzgefäße verkalken. Herzrhythmusstörungen und Herzklappenfehler kommen ebenso infrage. „Immer häufiger haben wir es auch mit Nebenwirkungen von Chemotherapie bei Krebserkrankungen zu tun“, erklärt der Klinikdirektor. Manche Chemo-Medikamente wirken auch auf Herzmuskelzellen ein.



60 ist das typische Alter für eine Herzinsuffizienz. Etwa zehn Prozent der Menschen im Alter von 60 bis 70 Jahren sind betroffen. Das Risiko wächst mit steigendem Alter. Die Experten unterscheiden Herzschwächeformen – beispielsweise nach dem Ort des Auftretens: in der linken oder rechten Herzhälfte. Oder aber auch nach Leistungsparametern: Wenn der Herzmuskel nicht mehr richtig pumpt und zu wenig Blut in den Kreislauf drückt, spricht man von einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion. Diese Art der Herzschwäche tritt sehr häufig bei Männern auf. Bei Frauen dagegen ist häufiger eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion zu beobachten. Das heißt, dass die Pumpe an sich gut funktioniert. Aber der Herzmuskel kann sich nicht richtig dehnen und nimmt daher zu wenig Blut auf.

Noch in den 90er Jahren ist etwa die Hälfte der Patienten fünf Jahre nach der Diagnose „Herzinsuffizienz“ verstorben. „Das war eine ähnliche Quote wie bei Krebspatienten“, sagt Prof. Dr. Oliver Ritter. Die Überlebenschancen sind inzwischen besser geworden und auch die Lebensqualität dabei. Um Herzklappenschäden operativ zu beheben, musste früher noch der Brustkorb geöffnet werden. Heute geht sehr viel mithilfe eines Herzkatheters. Dieser Eingriff belastet den Patienten sehr viel weniger und ist auch eine Behandlungsoption für ältere Menschen.

Doch vieles liegt in den Händen der Patienten. Die Diagnose Herzschwäche mahnt einen gesunden Lebensstil an. Dazu gehören zum Beispiel ein moderater Salzverbrauch – zu viel Salz bindet Wasser im Körper –, gesunde Ernährung, eine ausreichende, aber auch nicht übermäßige Flüssigkeitszufuhr und Sport. „Da hat es in der Therapie einen großen Wechsel gegeben“, erklärt der Klinikdirektor. Lange hieß es, man müsse sich bei Herzschwäche schonen. Jetzt werden moderates Ausdauertraining sowie dynamisches Krafttraining empfohlen. Natürlich in Absprache mit dem behandelnden Arzt. Geeignet fürs Ausdauertraining sind unter anderem schnelles Spazierengehen, langsames Radfahren, Aquagymnastik und – Treppensteigen.

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