30. September 2025
Wenn Tod neues Leben bedeutet
Organentnahme im Uniklinikum: Die Abläufe sind streng geregelt
Der Tod ist im Krankenhaus regelmäßiger Besucher. Mitunter kann er auch Leben bringen – dann nämlich, wenn es zu einer Organspende kommt. Im Uniklinikum Brandenburg an der Havel finden keine Transplantationen statt, aber es kommt zu Organentnahmen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Abläufe erklärt Dr. med. Mathias Sprenger, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie.
„Voraussetzung für eine Organentnahme ist ein irreversibler Hirnfunktionsausfall, früher auch Hirntod genannt“, sagt er. Ausgangspunkt ist eine Schädigung des Gehirns, entweder direkt, zum Beispiel durch einen Unfall, oder indirekt, etwa aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstands. Gehirnzellen beginnen bereits innerhalb weniger Minuten abzusterben, wenn sie nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.
Die Lebenserhaltung steht gerade in der Intensivmedizin absolut im Fokus, betont Dr. med. Mathias Sprenger. Das bedeutet, dass die Möglichkeit einer Organspende erst dann überhaupt ins Auge gefasst wird, wenn der Hirntod eingetreten ist und sicher festgestellt wird, der übrige Organismus aber mit Maschinen am Leben erhalten werden kann. Hinzukommen muss die Einwilligung des Verstorbenen zur Organspende, möglichst dokumentiert durch einen Organspendeausweis beziehungsweise die Eintragung in das Online-Register.
Der irreversible Hirnfunktionsausfall wird festgestellt, wenn keine Hirnfunktionen mehr messbar sind. Diagnostiziert werden muss er unabhängig voneinander von zwei Fachärzten (einer davon Neurologe/Neurochirurg) mit mehrjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin. Der Hirntod wird nach genau festgelegten Kriterien diagnostiziert, die den Ausfall aller Hirnfunktionen zweifelsfrei feststellen. Ist das der Fall, kann ein Verstorbener als Organspender infrage kommen. Dann wird eine Meldung an die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) erstellt, die in ihren länderbasierten Stützpunkten eine 24-Stunden-Bereitschaft unterhält. Ein Team von Transplantationsspezialisten der DSO kommt in diesem Fall in die Klinik, sichtet die Unterlagen und führt gegebenenfalls noch einmal eigene Untersuchungen durch.
„Wäre ich zum Beispiel der Spender, müsste angesichts des Lebensalters möglicherweise untersucht werden, ob das Herz noch eine ausreichende Qualität hat“, sagt Dr. med. Mathias Sprenger, der für sich selbst persönlich entschieden hat, im Fall der Fälle Organspender zu sein. Liegt keine Erklärung vor, können ersatzweise auch die Angehörigen in Vertretung und im Sinne des Verstorbenen eine Einwilligung zur Organentnahme geben. Der Intensivmediziner weist darauf hin, dass die Einwilligung auch für einzelne Organe gegeben oder verweigert werden kann. Dann ist beispielsweise die Entnahme einer Niere möglich, von Herz oder Augen jedoch nicht.
Sind alle Voraussetzungen gegeben, führt das DSO-Team die Entnahme durch. Das Blut im Organ wird durch eine Transportlösung ersetzt, die es für einen kurzen Zeitraum stabilisieren kann, und das Organ dann schnell - oft per Lufttransport - in die Spezialklinik gebracht, in der schon der Patient wartet, dem mit der Transplantation geholfen werden soll.
Das intensivmedizinische Team des Uniklinikums Brandenburg an der Havel ist in solchen Fällen nicht mit der Entnahme des Organs befasst. Das ist ausschließlich Aufgabe des angereisten Entnahmeteams. Die Brandenburger Mediziner kümmern sich vor allem um die Aufrechterhaltung der Herz- und Lungenfunktion, um so eine bestmögliche Funktion der transplantierten Organe zu ermöglichen.
Pro Jahr sind es im Uniklinikum nur wenige Fälle, in denen es zu Organentnahmen kommt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich nur ein Teil der Patienten aktiv für die Organspende entschieden. Dr. med. Mathias Sprenger würde es persönlich begrüßen, wenn es in Deutschland ähnlich wie in anderen Ländern eine Widerspruchslösung gäbe, bei der eine Nichtäußerung zum Thema als Einverständnis gewertet würde. Die Diskussion darüber hat in letzter Zeit wieder zugenommen.
Zum anderen gibt es aber auch nur wenige Fälle, in denen ein irreversibler Hirnfunktionsausfall diagnostiziert wird. „Wir haben ein leistungsstarkes Rettungssystem“, sagt Intensivmediziner Dr. med. Mathias Sprenger. Dadurch sinkt die Zahl der Patienten, für die etwa durch einen plötzlichen Herztod nichts mehr getan werden kann. Das ist gut. Andererseits müssen Patienten, die auf ein Spenderorgan hoffen, oft lange warten. Mehr als 8000 Menschen stehen in Deutschland auf einer Warteliste für eine Transplantation, aber von Januar bis Mai 2025 wurden nach den Zahlen der DSO nur 1352 Organe nach postmortaler Spende transplantiert. Hinzu kommen einige Fälle der Lebendspende vor allem einer Niere, die nur für nahe Angehörige gestattet ist.
Braucht es also Alternativen, Xenotransplantationen etwa? Zu solchen Übertragungen tierischer Organe auf Menschen gibt es Forschungen und ethische wie rechtliche Diskussionen mit vielen Fragezeichen. Zunächst einmal geht es darum, die Möglichkeiten der Organtransplantation unter den gegebenen Bedingungen bestmöglich zu nutzen, sagt Dr. med. Mathias Sprenger.